Fabula Rasa

oder Die Königin des Grand Hotels

Kaiser, Vea


Roman
Kiepenheuer & Witsch, 2025
ISBN: 978-3-462-05234-3
566 S. 



Darum geht's:
Erzählt wird die Geschichte von Angelika Moser, die im Wien der späten Achzigerjahre als Tochter einer Hausbesorgerin in einem Gemeindebau aufwächst. Sie hat im Grand Hotel Frohner eine Anstellung als Buchhalterin und fällt dort wegen ihrer genauen Arbeitsweise auf. Der Hotelbesitzer kommt deswegen mit einem besonderen Anliegen auf Angelika zu. Sie soll die Bilanzen der Vergangenheit fälschen, um im Falle einer Prüfung auszuschließen, dass andere Menschen Ansprüche auf Teile des Hotels haben. Angelika ist nicht wohl bei der Sache, doch sie lässt sich schließlich dazu überreden, ihrem Chef hier zu helfen. Dieser schätzt ihre Loyalität gegenüber des Betriebes sehr, sie genießt sein volles Vertrauen und wird zur ersten weiblichen Chefbuchhalterin des Hotels. 

Angefangen hatte sie in dem Hotel als junge Frau direkt nach der Schule, war im Wiener Nachtleben unterwegs, hat im U4 gefeiert bis zum Umfallen und ihre nächtlichen Eskapaden hat man ihr oft angesehen, weshalb ihre Arbeitskolleg:innen ausreichend Grund hatten, immer wieder über sie zu tuscheln. Als sie schwanger wird, ändert sich ihr Privatleben komplett und auch ihre finanzielle Situation wird zunehmend schwieriger. Schnell merkt sie, wie hart sie als alleinerziehende Mutter für das Wohlergehen ihres Sohnes kämpfen muss, weshalb sie fortan ab und zu auch eine Rechnung zu ihren eigenen Gunsten fälscht. Anfangs sind es kleine Beträge, die sie sich genau notiert und von denen sie auch sicher ist, dass sie diese zurückzahlen wird. Doch sie vertieft sich immer weiter in den Betrug und veruntreut über Jahrzehnte hinweg schließlich Millionen, bis der Schwindel eines Tages auffliegt... 

"Angelika Moser war eine verurteilte Betrügerin, die ihrem Arbeitgeber über drei Millionen Euro gestohlen hatte, aber was mich für sie einnahm, war der Anfang ihrer Geschichte: ihr Ärger darüber, dass die Kollegen im Hotel nicht ihre gute Arbeit wahrnahmen, sondern sie darauf reduzierten, eien hübsche junge Partymaus zu sein." (S. 51)

So geht's mir dabei: Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich in Wien zugetragen hat und von der im Jahr 2019 medial berichtet wurde, im Jahr 2021 wurde die ehemalige Buchhalterin verurteilt. 

Vea Kaiser greift den Kern dieser Ereignisse auf und erzählt eine fiktive Geschichte drum herum, die sich durchaus so zugetragen haben könnte, oder eben auch nicht. Dabei thematisiert sie geschickt den finanziellen Betrug der Buchhalterin und die damit verbunde Frage: Wie weit würdest du an Angelikas Stelle für dein Kind gehen? Wer würde genauso handeln, wer nicht? 

Außerdem greift sie gesellschaftskritische Themen wie die Erwartung an Mütter, familiäre Überlastung und mangelnde Unterstützung auf. Und natürlich wird uns einmal mehr vor Augen geführt, wie ungleich die Rolle der Mütter und Väter in Bezug auf alles, an vorderster Stelle aber auf den eigenen Arbeitsplatz ist. Wer kann sich seiner Rolle einfach entziehen und wer nicht? Die Antwort liegt auf der Hand. 



Last but not least geht es in diesem Roman um Chancengleichheit. Hat ein Kind, aufgewachsen im Wiener Gemeindebau, dieselben Chancen im Leben wie der Sohn eines Hotelchefs? Auch hier ist die Antwort naheliegend aber der Roman erzählt es mit dieser unfassbar gelungenen Geschichte sehr eindringlich. 

Dieses Buch zählt definitiv zu meinen Jahreshighlights - nein zu meinen All-time-Highlights. Ich habe so sehr mit Angelika Moser mitgelebt, -gefeiert, -gelitten, -gelacht und auch -betrogen. Alles war für mich nachvollziehbar und überall habe ich die Protagonistin verstanden. Das Buch wollte ich gar nicht mehr weglegen, auch nicht als es aus war. 

Zu meinem großen Glück durfte ich zu einem späteren Zeitpunkt, bei einer Lesung der Autorin, noch einmal eintauchen und gemeinsam mit Vea Kaiser erneut das Grand Hotel Frohner betreten. 

Danke für dieses Buch an die fabelhafte Vea Kaiser, danke an den Kiwi-Verlag für das unglaublich tolle Buchpaket, danke an die Tyrolia Imst für die Lesung. Das Buch ist ein Schatz. 


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Vielen Dank für das Rezensionsexemplar und die Bloggerbox an den KIWI-Verlag


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