Die Farben des Sees

Richstein, Rike

Roman
Stadler Verlag, 2024
ISBN: 978-3-7977-0785-7
220 S. 



Darum geht's:
Matilda ergreift die Flucht aus ihrem Leben. Sie und ihr Lebensgefährte Mads haben sich getrennt. Ihre neue Lebenssituation überfordert sie und so zieht sie die Reißleine und fährt an den Bodensee in das Haus ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter. Sie und ihre Schwester sind die neuen Besitzerinnen des Hauses. Ein seltsamer Gedanke für Matilda, die vor mehr als 20 Jahren das letzte Mal hier war. Der Kontakt zwischen ihrer Mutter, die das Erbe nicht annahm, und ihrer Großmutter ist plötzlich abgerissen als Matilda ein Kind war. Noch zu klein, um das wirklich zu hinterfragen, hat sie es einfach so hingenommen. Antworten dazu hat ihr die Mutter aber auch später verwehrt. 

Als sie nun im Haus ist, kommen schemenhaft Erinnerungen an früher auf und es beginnt eine wechselhafte Spurensuche auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Einerseits hinterfragt sie sich selbst, ihr Leben, ihren Beruf und ihre Beziehung zu Mads. Sie will alles einordnen, um an irgendeinem Punkt anknüpfen und weitermachen zu können. Andererseits sucht sie Ablenkung und will deshalb mehr über das Leben ihrer Großeltern erfahren. Außerdem will sie wissen, warum sie nie mehr herkamen, nachdem der Großvater gestorben ist. Doch das Haus gibt nicht viel her. Wenig Fotoalben. Keine Tagebücher. Nur ein Foto im Nachttisch der Großmutter von einem Mann, der nicht ihr Großvater ist. Matilda möchte nur zu gern herausfinden, wer das ist. 

"Und Enni hat auch ohne sie gelebt, in dem kleinen Haus in der Stadt am See, hat die Pflanzen im Hinterhof gepflegt und vielleicht gelesen und ein Foto von Hans Wells in ihrer Nachttischschublade liegen gehabt. Vielleicht hat sie jeden Abend darauf gesehen, vielleicht hat sie selbst nicht mehr gewusst, dass es da war. Matilda wird es nie erfahren." (S. 91)

So geht's mir dabei:  Allein schon, weil ich wusste, dass es in dem Buch um den Bodensee (und seine Farbspiele) geht, musste ich es lesen. Ich bin selbst immer wieder dort und fand die Vorstellung schön, eine Geschichte von der Region zu lesen. Auch die Inhaltsangabe hat mir gleich zugesagt. Ich mag solche Plots, in denen es darum geht, etwas aus der Vergangenheit der eigenen Familie herauszufinden. 

Sprachlich finde ich den Roman unglaublich gelungen. Die Autorin Rike Richstein schafft es, so atmosphärisch zu schreiben, dass der Leserschaft das Gefühl vermittelt wird, ihre Worte, Sätze, Gedanken liegen an der Wasseroberfläche des Sees und laufen Gefahr, unterzugehen, wenn sie nicht behutsam aufgenommen werden. Sie schafft es, sprachlich nicht nur Bilder entstehen zu lassen, sondern auch eine Stimmung zu erzeugen, die über der eigentlichen Geschichte schwebt. Vielleicht machen das die kurzen Beschreibungen der Farben des Sees vor jedem Kapitel aus, vielleicht die Poetik, die teilweise in ihrem Text mitschwingt.

Einziger Kritikpunkt ist eigentlich, dass mir die Geschichte ein wenig zu kurz war. Sie hätte gern noch viel mehr in die Tiefe gehen dürfen. Ich wäre wahnsinnig neugierig auf viele weitere Details gewesen. Das Raffinierte daran ist natürlich, dass es uns Leser:innen somit gleich geht, wie der Protagonistin, die immer wieder auf Fragen stößt, die ihr niemand beantworten kann. 

Im Endeffekt wirft das Buch eine mächtige Lebensfrage auf, die zwar durch die Geschichte der Großmutter einerseits beantwortet wird und doch in der Luft stehen bleibt, da es hierfür garantiert nicht nur eine Antwort gibt. 

Geht's kurz und knapp? Wer leise, unaufgeregte Geschichten über persönliche Wendepunkte, wichtige Entscheidungen und deren Folgen mag, wird dieses Buch sehr genießen. 

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Ich darf mich von Herzen beim



Stadler Verlag
für das Leseexemplar bedanken. 

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