Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Krien, Daniela 

Diogenes, 2022
Erstausgabe: 2011

ISBN: 978-3-257-07219-8



Darum geht's:
Schauplatz der Geschichte ist ein kleiner Ort an der deutsch-deutschen Grenze im Jahr 1990, also kurz nach der Wiedervereinigung. Maria ist 16 und zieht zu ihrem Freund Johannes und dessen Familie auf den Brendel-Hof. Ihre Mutter hat die Arbeit verloren und wurde vom Vater verlassen. Sie lebt vereinsamt bei den Schwiegereltern. Maria bleibt bei Johannes. Dort wird sie erst geduldet, schließlich akzeptiert und letztendlich völlig in die Familie integriert. Vorerst geht sie nicht mehr zur Schule, das muss sie aber wieder ändern, wenn sie auf dem Hof bei Johannes bleiben will. Darauf besteht Johannes' Vater. Johannes selbst ist zu Beginn noch voller Zuneigung und Liebe für Maria, verliert sich aber zunehmend in den neuen Möglichkeiten und Hoffnungen, die die Wiedervereinigung bietet. Er will den Hof verlassen, will Kunst studieren und hat bald nichts mehr im Kopf, außer seinem Kunstprojekt - die Fotografie. 

"Johannes sieht mich nur noch durch die Kamera an. Jede Geste wird zum Bild, jeder Blick zur Unendlichkeit. Er löst mich aus der Zeit und hält einen Augenblick fest, der gleich danach unwiederbringlich verloren ist - jedes Bild ein kleiner Tod." (Seite 63)

Aufgrund dieser neuen Obsession übersieht Johannes auch, dass sich Maria mehr und mehr von ihm zurückzieht. Sie fängt eine Affäre mit Henner an. Einem Einzelgänger, der nicht weit vom Brendel-Hof wohnt, der einst von seiner Frau verlassen wurde und seither dem Alkohol verfallen ist. Er gilt als Grobian und Taugenichts. Hat es nicht einmal geschafft, seinen Hof und die Tiere zu versorgen. Er ist bereits 40 und zu Beginn wirkt es so, als würde er sich an dem jungen Mädchen vergreifen. Maria aber ist voller Faszination für Henner. Lässt sich auch von seiner gewalttätigen Art und Weise nicht abschrecken, ist vollkommen vereinnahmt von ihm und will immer mehr und öfter bei ihm sein. Kurz vor dem Fest der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober, fällt sie eine Entscheidung. Sie verlässt Johannes und will sich ihrerseits voll und ganz mit Henner vereinigen...


So geht's mir dabei: Das ist nun schon das dritte Buch, das ich von der Autorin Daniela Krien lese. Ich mag ihre Sprache sehr und finde ihre Art, persönliche Schicksale mit relevanten Zeitgeschehnissen zu verknüpfen, genial. 

Dass sich so ein junges Mädchen nicht von den groben Berührungen eines viel älteren Mannes abschrecken lässt, fand ich anfangs etwas eigentümlich. Nach und nach versteht man aber, dass es hier eine Verbindung gibt, die - der Jugend zum Trotz - wesentlich tiefer geht. Das ist nicht nur für uns Leser*innen zweifelhaft, sondern auch für Henner selbst. Einzig Maria ist sich von Anfang an sehr sicher. Wer allerdings von Beschreibungen sexualisierter Gewalt getriggert wird, sollte die Finger von dem Buch lassen. Das ist teilweise schwer zu ertragen. 

Neben dieser intensiven Liebesgeschichte, ist das Buch aber vor allem auch ein "Wenderoman". Diese fand ich immer schon sehr spannend und auch hier erfährt man von ersten Ausflügen in den Westen und den Emotionen dabei. Auch davon, welche Möglichkeiten sich nach der Wende im wirtschaftlichen Sektor auftaten und warum diese erst nicht sehr erfreulich für alle waren, lesen wir hier im Kontext einer Landwirtschaft. 

Das Buch wurde im Jahr 2022 neu aufgelegt und die Geschichte ist bald auf den Kinoleinwänden zu sehen. Eigentlich ist das aber der Debütroman der Autorin - was ihn für mich noch grandioser macht. 

Geht's kurz und knapp? Ein Wenderoman, der auch eine intensive Liebesgeschichte zwischen einer 17- und einem 40-Jährigen bietet. Leseempfehlung!

Hier kannst du den Roman direkt bei der Tyrolia Buchhandlung bestellen und vor Ort abholen oder versandkostenfrei innerhalb von Österreich an dich senden lassen. Dadurch wird auch mein Blog unterstützt. Vielen Dank dafür!

Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar. 


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