Das verbotene Notizbuch

Céspedes, Alba de


Roman

Aus dem Italienischen von 
Verena von Koskull

Insel Verlag, 2021
ISBN: 978-3-458-17934-4
301 S.





Darum geht's: Es sind die Nachkriegsjahre in Rom. Valeria führt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern zwar kein wohlhabendes aber auch kein schlechtes Leben. Sie kümmert sich um den Mann, um die Kinder, um den Haushalt, um die wirtschaftlichen Belange zuhause und ist Büroangestellte, da das Einkommen des Mannes alleine nicht ausreichen würde. Als sie eines Sonntags für ihn Zigaretten kaufen geht, ersteht sie aus einer Laune heraus ein Notizbuch. Sie versteckt es vor der Familie und allein dessen Existenz belastet sie, obwohl noch nichts Belastendes darin steht. Doch dann beginnt sie mit dem Schreiben. Immer heimlich, während alle anderen schlafen und immer sucht sie neue Verstecke für das Buch. 

" ...ich sagte: 'Nein, danke, geh ruhig schlafen.' Aber nur, weil ich danach noch schreiben wollte. Inzwischen steckt hinter allem, was ich tue und sage, dieses Heft. Ich hätte nie geglaubt, dass alles, was ich im Laufe des Tages erlebe, einer Notiz wert wäre. Mein Leben erschien mir bislang eher unbedeutend und ohne nennenswerte Ereignisse, abgesehen von meiner Hochzeit und der Geburt der Kinder. Doch seit ich zufällig angefangen habe, Tagebuch zu führen, geht mir auf, dass ein Wort oder ein Tonfall mindestens ebenso bedeutsam sein können wie das, was wir Ereignis nennen." (S. 38)

Je mehr sie aufschreibt, umso mehr dringt sie in ihre eigene Gedanken- und Gefühlswelt ein und ihre strengen moralischen Vorstellungen, die sie vor allem ihrer Tochter aufzwingen möchte und die sie zunehmend von einander entfernen, beginnen schließlich an ihr selbst zu zerbröckeln. Schließlich ändert sich nicht nur ihr Denken sondern auch ihr Handeln und ihrem einsamen Dasein werden neue Leidenschaften beigemengt. 

"Ich besaß nie die Offenheit, es zuzugeben, nicht einmal in diesem Tagebuch. Denn dann müsste ich mir eingestehen, dass meine Bemühungen, mich über die letzten zwanzig Jahre selbst zu vergessen, umsonst gewesen sind. Es gelang mir bis zu diesem Moment, als ich dieses schwarzglänzende Heft wie einen Blutegel, versteckt unter meinem Mantel, mit nach Hause brachte." (S. 254)

So geht's mir dabei: Teilweise war die Lektüre des Buches richtig schmerzhaft, weil das, was sich Valeria in ihrem Leben selbst auferlegt hat einfach nicht auszuhalten ist. Diese Strenge sich selbst gegenüber... (*kopfschüttel*)  

Man hat auch immer wieder das Gefühl, als wäre es nicht in erster Linie ihr Ehemann, der sie unterdrückt sondern wirklich Valeria selbst. Obwohl an manchen Stellen dann schon klar wird, dass im Endeffekt ER der Mann im Haus ist und "das Sagen" hat. Dass er seine Frau ununterbrochen "Mama" nennt und sie das nicht ernsthaft anspricht, hat mich wahnsinnig gemacht. Dass der Sohnemann so ein engstirniger, bornierter Hornochse ist, war kaum auszuhalten und ich habe mich oft gefragt, warum die Schwester, Mirella, ihm nicht anders Paroli bietet. Sie ist es schließlich, die einen anderen Weg einschlagen und als emanzipierte Frau (für diese Zeit) weiterleben möchte. 

Die Tagebuchform habe ich sehr gemocht und die Sprache des Buches war außerordentlich, wenn es auch teilweise seine Längen hatte. Man bekommt einen eindringlichen und ehrlichen Einblick in das Seelenleben einer Frau in den 1950er Jahren. Die Autorin war eindeutig eine jener Frauen, der wir es heute zu verdanken haben, dass sich vieles geändert hat. 

Geht's kurz und knapp? Ein Buch aus den 1950er Jahren, geschrieben von einer Frau, die auf ihr Innerstes zu hören beginnt und dies so ehrlich wie möglich zu Papier bringt. Schön, dass die Autorin nun wiederentdeckt wird. 

Hier kannst du das Buch direkt bei der Tyrolia Buchhandlung kaufen. Kostenfreie Lieferung in ganz Österreich. 


Ich bedanke mich herzlich beim Insel Verlag für das Rezensionsexemplar. 

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