Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco
Roman
Aus dem Italienischen von Peter Klöss
Diogenes Verlag, 2021
ISBN: 978-3-257-07170-2
Darum geht's: Daniela wohnt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf am äußersten Rand Rumäniens. Ihr Mann unterstützt sie kaum. Weder finanziell noch auf andere Weise. Es reicht gerade für das Nötigste und dennoch verbringt er seine Tage lieber auf dem Sofa, als etwas zu verändern. All seine Vorhaben sind im Endeffekt leere Versprechungen. Gemeinsam haben sie zwei halbwüchsige Kinder: Manuel und Angelica. Eines Tages wachen die beiden mit ihrem Vater auf und stellen fest, dass ihre "Moma" sie verlassen hat. Sie hat sich in der Nacht davon gemacht. Ist mit einem Bus nach Italien gefahren um dort als Pflegerin zu arbeiten und Geld nach Hause schicken zu können. Sie möchte, dass ihre Kinder gute Schulen besuchen, dass sie studieren können und immer zu essen haben und vor allem: Dass ihre Zukunft anders aussieht, als die eigene. Daniela weiß, dass ihre eigenen Eltern, die nur ein paar Häuser weiter wohnen, ein Auge auf die Kinder haben werden und dass Angelica alt genug ist, um auch auf Manuel zu schauen. Die Entscheidung fällt ihr schwer, aber sie muss sein. Und sie musste den Schritt auch in dieser radikalen Form machen, da sie sonst niemals gegangen wäre. Einen Abschied hätte sie nicht ausgehalten.
In Italien pflegt sie erst einen betagten Mann, bis sie schließlich zu einer Familie kommt, in der sie auf die beiden Kinder aufpasst, während sie ihre eigenen Kinder schmerzlich vermisst. Das tägliche Telefonat mit ihr ist ihnen lästig und die materiellen Geschenke werden lieblos angenommen. Wenn sie zu Besuch zu Hause ist - einmal im Jahr - haben die Kinder wenig Zeit für sie und auch keine Lust, diese mit ihr zu verbringen. Die Mutter ist ohnehin bald wieder fort.
"Sag mal, Angi, warum gehen wir an dem Tag, an dem wir Waisen geworden sind, überhaupt in die Schule?""Aber sie ist doch nicht unter den Zug gekommen!""Na ja, einmal im Jahr sehen, das ist schon ein bisschen wie gestorben, finde ich." (S. 19)
So geht's mir dabei: Das Buch ist aus drei Perspektiven erzählt. Erst kommt Manuel zu Wort. Wir erfahren und erleben seine Sicht der Situation. Wie er damit umgeht, dass seine Mama ihn verlässt, wie wenig er ihr Opfer zu schätzen weiß, wie sehr er darauf verzichten könnte, weil sich seine Träume ohnehin darauf beschränken, in dem Dorf zu bleiben und im Prinzip so zu leben, wie sein Großvater. Als dieser stirbt, reißt es ihm endgültig den Boden unter den Füßen weg und er fühlt sich zunehmend verloren.
Im zweiten Teil erzählt Daniela aus ihrer Perspektive. Sie ist wieder zurückgekommen und wir erfahren im Rückblick von ihren Erlebnissen und Erfahrungen, von ihren Gedanken und Wünschen. Von ihrem eigenen hadern mit der Entscheidung und ihrer Einsamkeit in Italien. Und schließlich gewährt uns im dritten Teil noch Angelica Einblick in ihre Gedankenwelt.
Und so schenkt Marco Balzano denjenigen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Den Zurückgebliebenen. Den Kindern. Und auch der Mutter. Und als Leser*in versteht man alle Seiten und kann nur eines mit Sicherheit sagen: Eine solche Entscheidung möchte man nicht treffen müssen.
Es ist das zweite Buch, das ich von dem Autor Marco Balzano gelesen habe und ich kann beide wärmstens empfehlen. Mir gefällt die schnörkellose Sprache, das unaufgeregte Erzählen und ich bewundere ihn dafür, wie gut er Einfühlsamkeit entstehen lassen kann. Mich hat die Geschichte berührt und ich habe mit den Figuren - wie auch schon in seinem Buch "Ich bleibe hier" - mitgelitten.
Geht's kurz und knapp? Uneingeschränkte Leseempfehlung.
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Ein herzliches Dankeschön auch an den wundervollen Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.
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