Das Tal in der Mitte der Welt

Tallack, Malachy

Roman
Luchterhand Verlag, Juni 2021
ISBN: 978-3-630-87611-5
384 S.



Darum geht's: Die Shetlandinseln sind eine Inselgruppe in Schottland. Auf einer dieser Inseln befindet sich das Tal, dessen älteste Bewohnerin Maggie gerade gestorben ist. Das Tal, in dem David und Mary leben. In dem Sandy herausfinden will, was er nach der Trennung von Emma mit seinem Leben anfangen soll. In dem Terry seiner Alkoholsucht Herr werden soll. Das Tal, in dem Alice Zuflucht sucht, nachdem sie gerade erst eine junge Witwe geworden ist. 

David ist nach dem Tod von Maggie nun der Talälteste, was er als enorme Verantwortung empfindet. Er und seine Frau Mary haben ein Auge auf jede und jeden hier, während ihre eigenen Töchter weggezogen sind, weil es ihnen im Tal zu leblos war. Emma hätte es versucht. Sie wollte hier bleiben, gemeinsam mit Sandy, der ihretwegen hierher gezogen ist. Sie verlässt ihn aber und Sandy weiß im ersten Moment nicht, ob er im Tal bleiben oder weiterziehen soll. David nimmt ihn unter seine Fittiche und ehe er sich's versieht, ist er auf dem besten Weg, in seine Fußstapfen zu treten, seine Werte anzunehmen, die Traditionen und Arbeiten des Tales zu verinnerlichen und fortzuführen. Terry ist so etwas wie Sandys einziger Freund. Er wurde regelmäßig von seiner Frau hierher geschickt, um auszunüchtern und dieses Mal muss er wohl endgültig hier bleiben. Sein Sohn kommt ihn, wenn überhaupt, dann nur widerwillig besuchen, was seinen Alkoholkonsum nur noch weiter ankurbelt. Alice ist eine erfolgreiche Krimiautorin, die erst seit kurzer Zeit hier lebt. Seit dem Tod ihres Mannes hat sie sich hierher ins Tal zurückgezogen und arbeitet an einem Buch, das anders werden würde, als alles, was sie bisher geschrieben hatte. Sie schreibt über das Tal, über seine Natur, seine Vegetation, seine Landschaft, seine tierischen Bewohner, das Meer und schließlich über die Menschen hier. Allen voran über Maggie. Sie liest zahlreiche Briefe und Tagebücher und kann es nicht fassen, dass darin nirgends mehr zu finden ist, als Erzählungen über das Wetter und andere - scheinbare - Nichtigkeiten. 

"Dieses Tal war seit fast fünfunddreißig Jahren Marys Zuhause, und in der ganzen Zeit war Maggie ein Teil dieses Orts gewesen, eigentlich nicht weniger als die Felder, der Bach und die Straße selbst." (S. 22)

So geht's mir dabei: Während meines Studiums hatten wir in einer Vorlesung einmal die Diskussion darüber, was Literatur ist. Eine Kommilitonin sagte, Literatur muss keine Spannung haben, keinen aufregenden Plot, um lesenswert zu sein. Diese Aussage trifft es hier. Es gibt bei der Geschichte keinen aufregenden Spannungsbogen. Keinen Peak. Aber das Buch ist trotzdem so gut. Man hat die Möglichkeit, eine Reise in dieses Tal auf den Shetlands zu machen, man kann sich aus dem Hier und Jetzt zurückziehen und dort verweilen, die Handvoll Bewohner kennenlernen und erlangt Einblick in das Leben dieser Persönlichkeiten, die im Takt der Natur in dieser scheinbaren Verlassenheit leben. 

Es ist ein Roman zum Entschleunigen, zum Ausruhen. Eine unaufgeregte Geschichte, über ein paar Talbewohner, über deren Leben. Der Autor schafft es, mit seiner atmosphärischen Sprache ein Gefühl für die Menschen entstehen zu lassen. Ich habe so klare Bilder der Personen im Kopf - auch noch Wochen nachdem ich das Buch beendet habe. Ich weiß sogar, welche Stimmen die Figuren haben. Auf subtile Art und Weise stellt sich das Buch der Frage, wieviel Drama ein Mensch braucht, um sein Leben aufregend zu finden. Wieviel Ruhe schätzt der Mensch und wieviel verträgt er? Gibt es den Typ Mensch, der zufrieden sein kann mit einem Leben, wie es David führt? Oder zieht es einen unweigerlich weiter, fort aus dem Tal, weil das nicht alles gewesen sein kann? Und warum kommen ausgerechnet diejenigen, deren Welt gerade aus den Fugen gerät, dann eigentlich wieder hierher zurück? Kann man das tiefe Gefühl des Zuhause-seins, das einen bis in die Fingerspitzen berührt mit dem dringlichen Wunsch, den Ort verlassen zu wollen, der einem dieses Gefühl beschert, vereinbaren? 

Diese Fragen wirft die Geschichte auf. Antworten darf der Leser und die Leserin selbst finden. 
Eine Triggerwarnung möchte ich noch aussprechen: Es wird sehr genau beschrieben, wie Lämmer geschlachtet und Schafe geschoren werden und welche Verletzungen damit einhergehen. Das muss man aushalten. Auch abgesehen davon kommen noch ein paar rauhe Bemerkungen der Tierwelt gegenüber vor. Bestimmt spiegelt das die Wirklichkeit in so einem Tal wider, aushalten muss man es trotzdem beim Lesen. 

Geht's kurz und knapp? In stürmischen und unruhigen Zeiten vielleicht genau das richtige Ruhepol-Buch, um sich ein wenig zurückzuziehen. 

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