Couscous mit Zimt

Koester, Elsa

Roman
Frankfurter Verlagsanstalt, August 2020
ISBN: 978-3-627-00278-7
445 S. 


Darum geht's: Lucile, Marie und Lisa, das sind Großmutter, Mutter und Tochter. In diesem Buch geht es um das Leben von allen dreien. Im Epilog lernen wir Lucile kennen. Diese starke Persönlichkeit mit ihren Prinzipien und ihren klaren Vorstellungen von einem glücklichen Leben. Viele Kinder zu bekommen, gehörte eindeutig nicht zu dieser Vorstellung. Dennoch war es so, dass sie erst zwei Söhnen und dann zwei Töchtern das Leben schenkte. Ihre beiden Söhne hat sie zurückgelassen, als sie zehn und acht Jahre alt waren. In ihren Augen waren sie groß genug und haben sie nicht weiter gebraucht. Den Kontakt hat sie bis ins hohe Alter mit ihnen aufrecht erhalten - oder eher umgekehrt - aber gekümmert hat sie sich nicht mehr um sie. Aber auf die beiden Mädchen Marie und Solange hat sie geschaut und sich in ihren eigenen Augen für sie und ihr Wohl aufgeopfert. Und nun am Ende ihres Lebens, mit über 100 Jahren will sie ihre Ruhe, will in ihrer Wohnung in der Rue de Flandre in Paris lesen und in Stille ihr Leben genießen, bis sie schließlich stirbt. 

Nur wenige Wochen später stirbt auch Marie. Sie hätte eigentlich die Wohnung ihrer "Mamie" in Paris geerbt und so geht dieses Erbe weiter an Lisa, die nach Paris fährt, um die Wohnung aufzulösen. Abwechselnd erfahren wir aus der Sicht von Lisa und von Marie, wie das Leben der Familie Belanger verlaufen ist. Marie, die immer mit der harten Zurückweisung ihrer Mama zu kämpfen hat und bis ins Alter ihren Zuspruch sucht, die mit dem frühen Verlust ihres Vaters und nicht zuletzt mit dem Verlust ihrer Heimat Tunesien, die sie verlassen musste um nach Frankreich auszuwandern, zu kämpfen hat. Ihren Frust ertränkt sie im Alkohol und bürdet damit wiederum ihrer Tochter Lisa eine schwere Last auf, die versucht, mit ihrer alkoholkranken Mama fertig zu werden. 

"In Paris lernte ich die Sehnsucht kennen, die mit der Fremde einhergeht.(...) Ich konnte mit Nordfrankreich nichts anfangen, alles hier war kalt, dunkel und viel zu schnell, die Blicke, die Berührungen, die Métro, das Tageslicht, alles war so schnell wieder vorbei, dass es den schmerzhaften Eindruck hinterließ, es von vornherein nicht ernst gemeint zu haben." (S. 299/300)
Während Lisa, die in Deutschland zu Welt kam und aufgewachsen ist, in Paris die Wohnungsauflösung unternimmt, besucht sie ihre Tante Solange, trifft sich mit ihrer Cousine und einem Cousin und lernt auch ihren Onkel kennen. Sie möchte von allen Geschichten aus der Vergangenheit hören, um ihre eigene Familie besser kennenzulernen. Außerdem sieht sie sich mit vielen Erinnerungen in der Wohnung von "Mamie" konfrontiert. Doch im Endeffekt muss sie das tun, was ihr alle raten: die Vergangenheit ruhen lassen und nach Vorne sehen.

So geht's mir dabei: Dieser Familienroman hat mich im Innersten getroffen. Nicht oft wühlen mich Bücher emotional so sehr auf, dass es schmerzt. Hier war dies der Fall und ich liebe es, wenn Worte das schaffen. 

Dieser Debütroman von Elsa Koester ist so schonungslos ehrlich geschrieben, in einer Sprache, die mein Herz berührt hat. Diese permanente Kombination aus Kosewort und Härte habe ich am eigenen Leib gespürt. Lucile sagt "gehe weit, weit weg, ma chérie" zu ihrer Tochter Marie, weil diese Anfang zwanzig schwanger wurde und ihr Kind nicht, wie von ihrer Mama vorgeschlagen, von einer "Engelmacherin", einer Stümperin, abtreiben lassen möchte sondern so sehr hofft, dass ihre "Mamie" sie dabei unterstützt, das Baby zu behalten. Und dieser Satz von Lucile versinnbildlicht für mich die gesamte Beziehung, unter der die Tochter so gelitten hat und außerdem das, was das Buch mit den Leser*innen macht. Es ist so gut, dass man weiter lesen muss und in der Geschichten bleiben will, aber es schmerzt teilweise so sehr, dass man es weglegen und verlassen will. 

In dem Buch werden alle Orte (Tunesien am Land und in der Stadt, Paris, Griechenland, Berlin) so atmosphärisch beschrieben, dass man dort ist. Man fühlt, was die Protagonist*innen der Geschichte fühlen. Die Personen kennt man so gut. Ich kann mein Gesicht gar nicht neutral halten, wenn ich an Marie denke, es fällt mir so schwer, Lisa nicht in den Arm nehmen zu können und ich habe einen Heidenrespekt vor Lucile. Ich sehe sie so genau vor mir. Ich weiß ganz genau, wer sie ist, wie sie spricht und ich werde ihr nie verzeihen, was sie Marie angetan hat. Ihr Leben lang. Nicht nur damals, nachdem der Vater gestorben ist. 

Der Roman bekommt einen Platz ganz, ganz oben auf meiner Liste der Lieblingsbücher. Es ist eines jener Bücher, die ich wie etwas Besonderes behandle, weil mir die Geschichte darin so wertvoll ist. Elsa Koester hat mich zutiefst getroffen und ich liebe es, wenn das ein*e Autor*in mit seiner*ihrer Geschichte schafft.

Geht's kurz und knapp? Mein Lesejahr hat mit einem Highlight begonnen. Ich liebe liebe liebe dieses Buch. 

Hier kann man das Buch direkt bei der Tyrolia bestellen. (Versandkostenfreie Lieferung innerhalb von Österreich.) 

Vielen Dank an die Frankfurter Verlagsanstalt für dieses wundervolle Rezensionsexemplar. 


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