Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum

Hödl, Lena Johanna

Roman

Achse Verlag, 2020

ISBN: 978-3-9504831-2-3

256 S.



Darum geht’s: Lena hat ein Ziel in ihrem Leben: Sie möchte die Liebe finden. Bereits in Kindertagen hat sie verstanden, dass es das ist, worum sich einfach alles dreht. Also macht sie sich auf die Suche nach der Liebe. Immer und immer wieder. Diese Suche beginnt im Alter von 5 Jahren. 

„Armin ist einfach da. Ich weiß heute nicht mehr so ganz, was genau denn nun anders war, bis auf das völlige Fehlen jeglicher frühkindlicher Folterspielchen, aber allein die Tatsache, dass ich mich an keinerlei negative Vorkommnisse erinnern kann, beweist doch schon, dass unsere Beziehung von nichts als Liebe und Respekt geprägt gewesen sein muss. Keine Erinnerungen sind gute Erinnerungen.“ (S. 25)

Die Auserwählten von Lena haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie interessieren sich für Lena. Diese Tatsache reicht ihr vollkommen, um sich zu verlieben. Sie findet es nämlich spektakulär, dass irgendjemand auf der Welt mit ihr sprechen will, sie gut findet. Wer dies tut, muss eigentlich „The One“ sein. Je älter sie wird und je mehr sie zu selbstständigem Denken findet, umso mehr fühlt sie sich von ihrem Zuhause erdrückt. Ihr Vater, der besessen von der Schönheit der Mutter und von der Sauberkeit des Hauses ist, raubt ihr die Luft zum Atmen. Mit 17 unternimmt sie einen Selbstmordversuch und muss in eine psychiatrische Klinik. Sie erholt sich einigermaßen davon und ist froh, als sie endlich aus diesem allzu perfekten zu Hause ausziehen und ihr eigenes Leben führen kann. 

Sie kommt von einer Beziehung in die nächste, von einem Extrem in das nächste. Sie wird fürchterlich schlecht behandelt und denkt sich meistens nicht viel mehr dabei, als, dass das so sein muss. Wer ihr gegenüber nicht sofort auf irgend eine Weise gewalttätig wird und trotzdem mit ihr spricht, muss sie lieben. Nicht zuletzt aufgrund dieser Einstellung erlebt sie eine Enttäuschung nach der anderen. Ist immer wieder am Boden zerstört und leidet fürchterlich.

„Ich meine, permanent zu verbluten, ohne jemals damit fertig zu sein, und nachts weine ich so laut, dass meine Mitbewohnerin nicht schlafen kann.

Ich sterbe die ganze Zeit, ernte aber niemals die süße Frucht der Totenruhe. Meine Mutter versucht, mich zu sich und meinem Vater mitzunehmen, damit ich mir nichts antue. Als ich ihr sage, dass ich ihr Angebot zwar durchaus zu schätzen weiß, einen Aufenthalt in dem Gallertpalast aber eher für einen zusätzlichen Grund für Selbstmord halte, schiebt sie mit dem Ärmel ihrer Strickjacke alle Blister und Pillendöschen vom Regalbrett hinunter in einen kleinen Korb.“ (S. 163)

So geht’s mir dabei: Dieses Buch ist anders als andere Bücher. Die Geschichte von Lena hat mich wirklich interessiert und sie ist so gar nicht das, was ich erwartet habe. Die Sprache der Autorin ist bildgewaltig und direkt. Das nimmt die Leser auf eine emotionale Reise mit Lena mit, der man nicht oberflächlich beiwohnen kann. Man spürt die Beklemmung der Protagonistin, man spürt ihre blinde Verliebtheit und vor allem ihren Schmerz, der sie immer hoffnungsloser und verlorener zurücklässt. 

In den ersten Kapiteln fand ich noch einiges zum Schmunzeln. Der sarkastische, zynische Ton, die (teilweise sehr) überspitzten Formulierungen waren lustig. Im Mittelteil war mir diese Sprache fast zu viel. Im Schlussteil fand ich es wieder passender, aber das Komisch-Ironische ist gänzlich verschwunden. Ich habe mit Lena gelitten. Vor allem gegen Ende des Buches wollte ich sie gern umarmen und ihr sagen, dass sie gut und wertvoll ist.  Ihr Verloren-sein war so spürbar und schmerzte richtig. 

Wer ein Buch lesen will, das sich völlig vom Mainstream unterscheidet, ist hier richtig. Es ist eine anspruchsvolle Lektüre in jeder Hinsicht. Ein mutiges Buch einer jungen österreichischen Autorin.

Geht’s kurz und knapp? Auf der Suche nach einem neuen Leseabenteuer, nach anderer Sprache, nach einer kontroversen Geschichte? Dann könnte dieses Buch das Richtige sein. 


Hier kannst du das Buch bei der Tyrolia kaufen. Dadurch unterstützt du den stationären Buchhandel und meinen Blog. Vielen Dank dafür! 

Ich danke dem Achse-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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