Giulia und der Wolf

Die Geschichte eines sexuellen Missbrauchs in der Kirche


Bove, Luisa

Mit einem Vorwort von Hans Zollner SJ


Aus dem Italienischen übersetzt von Gabriele Stein


Tyrolia Verlag, 2020

ISBN: 978-3-7022-3834-6



Darum geht's: Luisa Bove ist eine italienische Journalistin, die die Geschichte von Giulia in diesem Buch schreibt. Giulia, die in Mailand aufwächst, fühlt sich schon in jungen Jahren von Gott berufen. Am Tag der Erstkommunion spürt sie Jesus so nahe, wie einen Freund an ihrer Seite. Die Firmung hatte eine tiefe Bedeutung für sie und es war klar, dass sie ihren Glaubensweg weiterverfolgen würde. Ohne, dass sie jemand dazu ermutigt oder aufgefordert hätte, hat sie diesen Entschluss gefasst und wurde Teil einer christlichen Jugendgruppe, die von dem "Don" geführt wurde. 

"Eines Tages erklärte er uns die Rolle des geistlichen Leiters und wie wichtig es sei, einen solchen Ratgeber zu haben, der uns durchs Leben begleitet: Auch wenn wir noch klein seien, sollten wir anfangen, darüber nachzudenken und uns früher oder später jemanden aussuchen." (S. 35)

Für Giulia wurde der "Don" zu ihrem geistlichen Leiter. In seine Hände legte sie all ihr Vertrauen. Sie war glücklich, dass er zustimmte, als sie ihn fragte, ob er ihr sicherer Begleiter werden würde. Für sie war klar, dass dies gar niemand anderes sein konnte, als der "Don". Sie war so glücklich, dass sie nun endlich eine erwachsene Vertrauensperson hatte, mit der sie reden konnte. Zu Hause war für Gespräche mit ihr keine Zeit. Sie konnte sich sonst niemandem anvertrauen. Endlich hatte jemand ein offenes Ohr für sie. Endlich, war jemand für sie da. Dass ausgerechnet diese Vertrauensperson dann zum "Wolf" wurde, wie Papst Franziskus pädophile Priester bezeichnet hatte, ist umso bitterer. Sieben Jahre lang missbrauchte er das junge Mädchen. 

"Meine Gefühle waren immer so widersprüchlich, dass sie mich daran hinderten zu verstehen, was wirklich mit mir geschah. Ich hatte Angst, aber gleichzeitig war ich auch froh, und so fühlte ich mich inmitten meiner Emotionen wie gelähmt. Ich war wie in einem Käfig gefangen und hatte keine echte Möglichkeit herauszufinden, was ich selbst wollte. Ich war zutiefst verwirrt." (S. 46)

So geht's mir dabei: Diese Geschichte kann einem nur schrecklich nahe gehen. Teilweise war mir übel beim Lesen und ich musste das Buch weglegen. Diese unglaubliche Hinterhältigkeit einem jungen Mädchen gegenüber!!! Sie ruft das pure Entsetzen hervor. Das Mädchen, das einerseits so dankbar war, dass sich ein Mensch für sie interessierte und um sie kümmerte, so wie sie es von zu Hause her nicht kannte, konnte gar nicht verstehen, was da vor sich ging. Sie vertraute dem Priester so sehr, dass sie ihre eigenen Gefühle der Scham und Furcht gar nicht ernst nahm. Erst viele viele Jahre später, hat sie ihren Missbrauch gedanklich neu durchleben müssen, um festzustellen, was damals vor sich ging und wie sehr diese Erfahrungen ihr restliches Leben beeinflusst haben. 

Was mich wirklich beeindruckt und was es umso erschütternder macht, ist die Ehrlichkeit, mit der Giulia ihre verwirrte Gefühlswelt darstellt. Es erstaunt mich, wie klar sie das nach so vielen Jahren noch sehen kann. 

Sie widmet dieses Buch allen Frauen, die Opfer von Missbrauch geworden sind und keine Stimme haben. Sie selbst hat den Mut gefunden, darüber zu reden und hat damit begonnen, das Geschehene zu verarbeiten, wenn es sie auch ein Leben lang begleiten und beeinflussen wird. 

Geht's kurz und knapp? Wenn eine Frau den Mut aufbringt, über dieses Thema und diese persönlichen Erfahrungen zu schreiben, sollten sich viele Menschen die Zeit nehmen, das zu lesen, damit sich im besten Fall irgendwann irgendwie irgendetwas ändern wird.


Über diesen Link kannst du das Buch bei der Tyrolia bestellen. Damit unterstützt du den stationären Buchhandel und auch meinen Blog. Vielen Dank dafür. 


Herzlichen Dank an den Tyrolia Verlag für das Rezensionsexemplar. 






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