Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen

 ...aber wissen sollten


Hasters, Alice


Hanserblau, 2019

ISBN 978-3-446-26425-0

208 S. 




Darum geht's: 

Alice Hasters erzählt in ihrem Buch von der Diskriminierung, die sie tagtäglich aushalten muss, weil ihre Hautfarbe dunkler ist, als die der meisten ihrer Mitmenschen. In Deutschland wird sie als Schwarze bezeichnet. Bei ihrem Aufenthalt in Amerika hat sie festgestellt, dass sie dort zu wenig schwarz war, um Schwarze zu sein. Sie hat schon so viele Situationen erlebt, in denen ihr unmissverständlich klar gemacht wurde, dass sie anders ist, dass sie nicht dazu gehört, dass sie im wahrsten Sinne ein Buch darüber schreiben kann. (sad enough!) 

So geht's mir dabei: 

Ich habe das Buch als Hörbuch bei Spotify gehört. Ich habe mir auch das Buch gekauft, aber es hat mir persönlich besser getan, die Worte von Alice Hasters aus ihrem Mund zu hören. Beim Lesen war ich schnell in einer Haltung der Selbstverteidigung. Wie es auch Alice Hasters schon zig mal erlebt hat, ging es bei mir schnell darum, dass ich ja nicht rassistisch bin und gar nicht mehr darum, was ich gerade eigentlich gelesen habe. Beim Zuhören ist es mir viel leichter gefallen, die Fakten und Tatsachen als das zu nehmen, was sie sind. Wahrheiten. Aufklärung. Anschuldigungen im Sinne der Aufklärung.

Ich habe durch dieses Hörbuch so viel gelernt. Über mich, über meine Umwelt, über systemischen Rassismus, den wir alle tagtäglich leben, ohne, dass wir es bewusst wahrnehmen. Ich habe gelernt, dass die Tatsache, dass ich etwas nicht böse meine, noch lange nicht heißt, dass es nicht rassistisch ist. Ich habe gelernt, dass man denjenigen, die diskriminiert werden, zuhören muss, um zu verstehen, warum manche Aussagen einfach nicht okay sind. Überhaupt bin ich von Kapitel zu Kapitel ruhiger geworden. Habe gedanklich nicht mehr mitgeredet. Habe begonnen, zuzuhören und zwar mit offenem Herzen und Empathie. 

Es sind wenige Wochen vergangen, seit ich das Hörbuch beendet habe und ich habe seither schon einige Diskussionen zu diesem Thema geführt. Ich merke, wie aufgebracht die Menschen schnell sind. Wir alle wollen einfach keine Rassisten sein. Gegen diese Anschuldigungen wehren wir uns erst mal vehement. Schnell kommen die Gegenargumente, die Alice Hasters alle in ihrem Buch beschreibt. Schnell erkennt man, wie die Realität in unserem Alltag aussieht. Schnell wird einem klar, in was für einer privilegierten Situation wir Weißen uns befinden. Natürlich weiß auch ich, was Diskriminierung bedeutet. Schließlich bin ich eine Frau. Und trotzdem bin ich in so einer privilegierten Situation, dass ich keine Ahnung hatte, wie stark Diskriminierung von PoC (People of Color) in unseren Systemen verankert ist. 

Selbstverständlich bewerte ich dieses Buch nicht. Ich wünsche mir aber inständig, dass viele viele viele Menschen den Worten von Alice Hasters zuhören bzw. ihr Buch lesen. Und zwar mit offenem Herzen und Demut. Ich weiß, dass das manchmal ganz schön schmerzt, wenn man erkennt, Teil dieses rassistischen Systems zu sein. Und es gibt Tage, da bin ich so zermürbt, weil ich das Gefühl habe, das alles ist dermaßen verwurzelt, dass wir da nie wieder rauskommen. Ich kann eh nur meinen kleinen Teil dazu beitragen und werde dies unermüdlich tun. 

Allen, die das Buch nicht lesen, das Hörbuch, das es bei Spotify übrigens kostenlos gibt, nicht hören, möchte ich unbedingt zwei Kernbotschaften mit auf den Weg geben: 

1. Wenn wir etwas tun oder sagen, was wir gar nicht bösen meinen und uns nicht sicher sind, ob das eventuell trotzdem rassistisch sein könnte, stellen wir uns einfach mal die Frage: Würden wir in diesem Moment genau gleich handeln, wenn eine weiße Person vor uns stehen würde? Wenn die Antwort "Nein" lautet, handeln wir gerade rassistisch.

2. Wenn von einer diskriminierten Gruppe eine Forderung gestellt wird, etwas zu ändern, fragen wir doch erst mal nach dem Hintergrund, bevor wir uns lautstark darüber aufregen, dass etwas geändert werden soll. Hören wir mehr zu, um zu verstehen und zu lernen und etwas zu ändern. 

Dieser Beitrag fällt mir extrem schwer. Seit Tagen schiebe ich ihn vor mir her. Einerseits habe ich Schiss, etwas Falsches zu schreiben, andererseits habe ich Schiss, zu wenig eindringlich zu sein. Außerdem ist der Blick auf unsere Welt und ihre Geschichte hinsichtlich Rassismus ein so trauriger, ein so beschämender, dass es so schwer fällt, hinzuschauen und dabei so unbedingt notwendig ist.... 

Lest das Buch. Hört das Hörbuch. Hört zu. 

#muted #butlistening #blacklivesmatter

Hier könnt ihr das Buch bei der Tyrolia bestellen. Wie immer ist das eine Unterstützung für den stationären Buchhandel und für meinen Blog. 


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