Die Optimisten

Makkai, Rebecca


Aus dem amerik. Englisch von 
Bettina Abarbanell

Eisele Verlag, München 2020
ISBN: 978-3-96161-086-0
624 S. 

Danke an #NetGalleyDe für das elektronische Leseexemplar.



Darum geht's: Es ist die Geschichte von Yale und die von Fiona. Die Handlung spielt einerseits im Chicago der 1980er Jahre und andererseits in Paris im Jahr 2015.
 
1985 stirbt Fionas Bruder Nico in Chicago an AIDS. Dass bei der Trauerfeier Nicos Freund und die gemeinsamen homosexuellen Freunde anwesend sein dürfen, ist Fionas Verdienst. Sie hat sich gegenüber ihren Eltern dafür stark gemacht, dass Nicos Freund Abschied nehmen darf. Nicos Freunde sind mittlerweile auch ihre Freunde, allen voran Yale. Er wird in den darauffolgenden Jahren mehr und mehr zu Fionas Vertrautem. 

Der junge Kunstexperte arbeitet in einer Galerie und ist dort auf der ständigen Suche nach bedeutenden Kunstwerken. Fiona erzählt ihrer Tante Nora davon. Diese ist bereits über 90 Jahre alt und hat Bilder von ihrer Zeit in den 1920er Jahren in Paris, welche die Galerie zu neuem Ruhm bringen könnten. Yale besucht Nora immer wieder und taucht mit ihren Erzählungen in die Welt der Künstler und Kunstszene 60 Jahre zuvor ein. Ihm ist schnell klar, welch wertvolle Bilder sie der Galerie stiften möchte. Yale konzentriert sich immer mehr auf seine Arbeit, während in seinem privaten Umfeld ein Sturm tobt, der das Leben seiner Freunde und Bekannten gefährdet. Einer nach dem anderen hat sich mit HIV infiziert. Von politischer und medizinischer Seite erfahren die Betroffenen zudem Ablehnung und Missmut aufgrund ihrer Homosexualität. Nachdem sich Yale's Freund von ihm getrennt hat und ihm gleichzeitig gesteht, dass er untreu war und ebenfalls HIV infiziert ist, beginnt für Yale eine Zeit voller Ängste. Er ist einsam, er ist alleine, seine Freunde sterben, er weiß nicht, ob er selbst infiziert ist oder nicht, er hat nur noch dieses große berufliche Projekt und Fiona. 

"Und dann war da noch die Liste derer aus Yales Bekanntenkreis, die schon krank geworden waren; die die Läsionen an ihren Armen noch verbergen konnten, aber nicht die im Gesicht; die schauderhaft husteten, immer dünner wurden, auf eine Verschlechterung warteten; die im Krankenhaus lagen oder nach Hause geflogen waren, um in der Nähe ihrer Eltern zu sterben, wo in den Lokalzeitungen als Todesursache Lungenentzündung angegeben werden würde." (S.23)

Fiona reist im Jahr 2015 nach Paris, auf der Suche nach ihrer Tochter, die jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen hat. In Paris wohnt sie bei Richard Campo, einem ihrer Freunde aus den 80er Jahren, der zwischenzeitlich berühmt geworden war. Eine Ausstellung im Centre Pompidou, einer der wichtigsten Kunstgalerien von Paris, steht unmittelbar bevor. Dass nicht nur unzählige Freunde, die sie damals verloren hat, sondern auch sie selbst in der Ausstellung ihren Platz findet, lässt Emotionen von damals mit einer Wucht aufwallen, von der sie selbst am meisten überrascht ist. 

"Dass Fiona sich ausgerechnet in diesem Augenblick krümmte und zu weinen anfing, ergab, so absurd es schien, einen gewissen Sinn." (S. 457)

So geht's mir dabei: Es ist so traurig. Die Geschichte, die Ereignisse machen einen nachdenklich und lassen einen traurig zurück. 

Ich bin mit diesem außergewöhnlichen Buch in eine Welt eingetaucht, die ich nicht kannte. Die Themen HIV und AIDS waren in den 90er Jahren noch sehr präsent und uns wurde dazumal auch viel darüber erklärt. Was dem aber vorangegangen war, in den 80er Jahren in Chicago, davon hat niemand gesprochen. Es ist einfach unvorstellbar, als junger Mensch damit konfrontiert zu werden, dass ein Großteil der eigenen Freunde stirbt. Noch dazu auf katastrophale Art und Weise - mit so viel Leid. Dabei von den Eltern und der Gesellschaft abgelehnt, wegen der sexuellen Neigung. Das ist alles so falsch. 

Wochenlang habe ich nun von Yale und Fiona und all ihren Freunden gelesen und sie sind mir so ans Herz gewachsen. Es ist richtig schwer, sie nun gehen zu lassen. Wenn den Leser:innen die Protagonisten so sehr ans Herz wachsen, liegt das nie nur an deren Geschichten. Es liegt an einem brillanten Schreibstil - Der in diesem Fall auch noch extrem gelungen übersetzt wurde. 

Ein Buch über Diskriminierung, über Ausgrenzung, über Freundschaft, über Liebe, über Familie und last but not least über ein Virus, das um sich greift wie ein Lauffeuer, zu lesen, in einer Zeit, wie der jetzigen, ist beinahe absurd realistisch. Besser kann der Zeitgeist nicht getroffen werden. Und das obwohl von Ereignissen von vor 25 Jahren erzählt wird. Sad enough....

Geht's kurz und knapp? Ein Buch, das mich emotional durchgeschüttelt hat. Ein Buch, das brillant ist. Ein Buch, das ganz viele Menschen lesen sollen. 

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