Vermenschlichung von Chaplin und Churchill

Köhlmeier, Michael. Zwei Herren am Strand



Darum geht's: Um die Freundschaft zwischen zwei der bekanntesten Männer, des letzten Jahrhunderts: Charlie Chaplin und Winston Churchill. Dass sie immer wieder unter dem "schwarzen Hund" - der Name für das Krankheitsbild der Depression - leiden, vereint die beiden. Miteinander reden sie darüber so offen, wie nie zuvor. Und bei ihrem ersten gemeinsamen Spaziergang versprechen sie sich, immer sofort zur Stelle zu sein, wenn der andere gerade in einer Depression gefangen ist. Begleitet wird diese Freundschaft von verschiedenen Anekdoten aus dem Leben der Protagonisten sowie aus dem Leben des Erzählers und dessen Vater und einiger anderer Personen, die in der Handlung vorkommen. Und derer gibt es viele. Außerdem spielt ein großer Teil der Erzählung in den 1930er Jahren. So ist vor allem Hitler ein Thema. Gegen diesen kämpft Churchill mit richtigen Waffen, während Chaplin nicht müde wird, die Waffen des Humors einzusetzen. Er dreht den Film "Der große Diktator" und lässt sich davon auch durch mehrere Drohungen nicht abhalten.

"Er (Winston Churchill, Anm.) wäre gern gewesen wie sein Vater, und er wäre gern gewesen wie seine Mutter. Um zu sein wie der Vater, dies war seine traurige Selbsteinschätzung, fehlte ihm alles; um zu sein wie die Mutter fehlte ihm 'die heißhungrige Freude am Leben', so formulierte er in einer seiner autobiografischen Kolumnen (die er wie ein weiteres Dutzend ähnlicher Texte nie veröffentlichte)." S. 130f


So geht's mir dabei: Zuerst hat mich die Erzählung begeistert und die ersten 100 Seiten habe ich genossen. Danach wurden mir die unzähligen Zitate und Verweise und Quellenangaben zu viel und teilweise auch zu verwirrend. Nach einer zweitägigen Lesepause war es schwierig, wieder in die Geschichte zu finden. Das machte es etwas mühsam. Nichts desto trotz hat mich die Geschichte der beiden bekannten Männer Churchill und Chaplin sehr interessiert. Für mich wurden die beiden "vermenschlicht", da sich mein Wissen über die beiden auf das politische bzw. auf die Erfolge in der Welt des Stummfilms beschränkt hatte. Um sämtliche realen und fiktiven Quellen und Anekdoten voneinander trennen zu können, fehlt mir persönlich der Einblick. Diesbezüglich hat Köhlmeier mit Fingerspitzengefühl gehandelt. Als Leser ohne fundiertes Hintergrundwissen merkt man, dass man teilweise an der Nase herumgeführt wird, aber nicht so ganz genau wann und in welchem Ausmaß. Wer sich hier besser auskennt, kann den Aspekt des Komischen in dem Roman noch detaillierter herausfiltern. Gut gefallen hat mir der kleine Ausflug zu Theodor W. Adorno. Ich freue mich immer, wenn ich quasi nebenbei neue Einblicke in das Werk dieses faszinierenden Philosophen bekomme. 

Geht's kurz und knapp? Obwohl man meiner Meinung nach auf die ein oder andere Anekdote verzichten könnte, finde ich es sehr lesenswert. Endlich habe ich ein Buch von Köhlmeier gelesen und es war bestimmt nicht mein letztes. 

dtv Verlagsgesellschaft, 2017

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