Königskinder

Capus, Alex



Darum geht's: Tina und Max wollen den Schweizer Jaunpass trotz Absperrung wegen des starken Schneefalls überqueren. Wie zu erwarten, bleiben die beiden auch prompt in einer Kurve mit ihrem Auto stecken. Schnell ist ihnen klar: Sie müssen die Nacht im Auto verbringen. Damit die Zeit schneller vergeht, erzählt Max seiner Freundin eine Geschichte, die genau hier im Greyerzerland seinen Anfang nahm. Die Geschichte von Jakob, einem ungehobelten Hirten, der den Großteil seiner Zeit alleine auf einer Melkhütte in den Bergen verbringt. Durch die Einsamkeit verlernt er beinahe die Sprache der Menschen, doch scheint er die Sprache der Tiere vollends zu verstehen und auch sie verstehen ihn. Jakob verliebt sich in die Tochter eines reichen Bauern aus dem Dorf, die er jedesmal sieht, wenn er die Kühe, die den Sommer auf der Alm verbracht haben, ins Tal zurückbringt. Der Bauer aber versucht mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich die beiden näher kommen. So ein verwahrloster Almhirte scheint ihm nicht gut genug für seine Tochter zu sein. Naturgemäß lassen die jungen Leute sich nicht davon abhalten, sich dennoch ineinander verlieben. Trotz der Missgunst des Vaters und trotz lange andauernder Trennungen von einander, hat die Liebe zwischen Jakob und Marie Bestand. Jakob zieht für mehrere Jahre in den Krieg und lebt eine Zeit lang sogar am Hof König Ludiwgs XVI in Versailles, nahe Paris. Vor dem politischen Umbruch in Europa, dem Beginn der Französischen Revolution und dem Sturz des Königs von Frankreich, steht immer die Geschichte der beiden Liebenden,

So geht's mir dabei: Ein weiteres Buch von Alex Capus, das mich in Begeisterung stürzt. Bei einer Lesung hat der Autor einmal sinngemäß gesagt: "Es liegen überall Geschichten auf der Straße, die nur darauf warten, erzählt zu werden." Beim Lesen hatte ich das Gefühl, der Autor freut sich richtig darüber, wieder eine dieser Geschichten erzählen zu dürfen. Das Buch ist spannend, kurzweilig und einfühlsam. Es ist eine Freude, es zu lesen. Die klare Sprache von Capus ist ein Genuss. Er wechselt die Erzählperspektive ganz nebenbei und gibt den Worten dadurch so viel mehr Bedeutung:

"Marie gefällt Jakobs raue und ungeübte Stimme. Sie bekommt Gänsehaut, wenn er spricht. Ihm gefällt der samtene Blick ihrer dunklen Augen unter dichten Wimpern, und das weiße Wogen ihres Dekolletees. Mein Gott, ihr Dekolletee." S. 45
Von politischen Aufständen und Umbrüchen und neuen technischen Errungenschaften des späten 18. Jahrhunderts erfährt man ganz nebenbei. Der Fokus liegt dabei immer auf der kleinen persönlichen Welt des Protagonisten und seiner Geliebten. Und wenn es den Leser zu tief berührt, ihn zu sehr mitnimmt, dann stellt Tina eine Zwischenfrage an Max und man darf erleichtert durchatmen, bevor die Geschichte von Jakob weitergeht. Der Autor hat für mich persönlich immer genau den richtigen Zeitpunkt für diese Unterbrechungen gewählt. Ich beende mein Loblied auf das Buch und den Autor (aus gutem Grund einer meiner Lieblingsautoren) hiermit. Eine winzige Kleinigkeit kann ich bemängeln: Wenn es wirklich so viel schneit am Jaunpass in dieser Nacht, dürfte es Tina und Max nicht ganz so leicht fallen, den Scheibenwischer zu betätigen. :-D

Geht's kurz und knapp? Das Buch lässt einen freudestrahlend zurück. Wer es nicht liest, ist selber Schuld. ;-D

Carl Hanser Verlag,  2018
ISBN: 978-3-446-26009-2


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Kommentare

  1. Ich hatte das Buch bei meinem letzten Besuch in der Bücherei schon in den Händen. Wie schön nun auch diese Empfehlung zu lesen!
    Noch einmal lass ich es nicht zurück!

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