Das Geburtstagsfest

Taschler, Judith W.


Darum geht's: Kim Mey feiert seinen fünfzigsten Geburtstag. Ehefrau Ines und die gemeinsamen Kinder Simon, Lea und Jonas bereiten ein großes Geburtstagsfest mit einigen Überraschungen vor. Ihm wäre zwar am liebsten, wenn er einfach nur ein gemütliches Abendessen im Kreis seiner engsten Familie genießen könnte, aber ihm schwant bereits, dass es ein wenig mehr Gäste sein werden. Dass sein jüngster Sohn Jonas einen Überraschungsgast eingeladen hat, um seinem Papa eine besonders große Freude zu bereiten, damit hat er nicht gerechnet. Plötzlich steht Tevi vor der Tür. Ines und Kim sind gleichermaßen geschockt, erstaunt und fassungslos. Jonas zuliebe bekunden sie auch ihre Freude über das Wiedersehen, in erster Linie macht sie die Anwesenheit von Tevi aber sehr nervös und eine angespannte Stimmung entsteht. Aber warum?
Tevi und Kim sind als Kinder von ihrer Heimat Kambodscha geflüchtet und ihnen wurde in Österreich Asyl gewährt. Sie sind gemeinsam bei einer Familie in einem Dorf in Oberösterreich untergekommen. 2 Jahre waren sie da, als Tevi eine Tante in Frankreich aufspüren konnte und zu ihren leiblichen Verwandten zog. Die Kinder von Kim und Ines dachten, dass sie sich dadurch aus den Augen verloren haben und die Wiedersehensfreude umso größer sein würde.
Aber da war noch so viel mehr.
Die Geschichte von Kim und Tevi und deren Familien in Kambodscha, begann lange davor und endete bei weitem nicht mit dem Abgang Tevis nach Frankreich.
"Der Grund, warum ich die Einladung deiner Kinder nicht abgelehnt habe", flüsterte Tevi an seiner Schulter, während seine Tochter für ihn sang, "ist..."
"Er interessiert mich nicht", zischte Kim. Am liebsten hätte er sich umgedreht, sie gepackt und geschüttelt. Sie ließ sich nicht beirren und fuhr fort: "Ich wollte dir sagen, dass ich dir verziehen habe." (S. 301)

So geht's mir dabei: Wow! Was für ein Buch. Ich muss zugeben, ich war vor der Lektüre ein wenig skeptisch. Das Thema hat mich abgeschreckt. Als ich selbst vor einigen Jahren in Kambodscha war, habe ich bereits mitbekommen, dass die Roten Khmer in diesem Land gewütet haben. Die wenigen Geschichten, die ich dazumal zu Ohren bekam, haben gereicht, um mir einen großen Respekt vor diesem Thema zu verschaffen. Doch dann habe ich mit dem Buch angefangen und sofort war mir klar: Es ist ein Taschler Buch - ich liebe ihre Sprache. Sie fesselt mich mit ihrer Erzählweise. Ich konnte es nicht mehr weglegen.

Ich weiß nicht, ob ich jemals von derart grausamen, menschenunwürdigen Geschehnissen gelesen habe. Was die Roten Khmer den Familien und Menschen in Kambodscha unter dem Pol-Pot-Regime angetan haben ist.... Mir fehlt das Wort dafür.

Über dem Ganzen steht für mich einmal mehr die Frage: WOZU IST DENN DER MENSCH FÄHIG????? Und zwar, der, der aushalten muss gleichermaßen wie der, der das Verbrechen begeht. Und was ist das Motiv? NEID! Es reicht nicht, den Wunsch zu hegen, dass es einem besser geht. Gleichzeitig muss es den anderen schlechter gehen. Diese Erkenntnis, macht mich immer wieder so unsagbar traurig. Es ist schließlich nicht so, dass es vorbei ist. Die Herrschaft der Roten Khmer unter Pol Pot in Kambodscha ist vorbei. Aber wenn man den Blick über die Weltkarte wandern lässt, weiß man, es hat sich nichts gebessert. Es verlagert sich nur von Zeit zu Zeit an einen anderen Ort.

Kim und Tevi können flüchten. Sie überleben, wenn sie auch ihr Leben lang unter den Erfahrungen ihrer Kindheit leiden und im Endeffekt nicht davon loskommen. Nach allem, was Kim erlebt hat, selbst machen musste, mit ansehen musste, könnte man meinen, er ist in Österreich im Paradies gelandet. So kommt es ihm auch selbst immer wieder vor, vor allem zu Beginn. Er ist frei und ihm stehen alle Möglichkeiten offen. Er wird Architekt, heiratet eine liebevolle Frau, bekommt 3 tolle Kinder, baut ein wunderbares Haus und kann trotzdem nicht glücklich werden. Und das liegt nicht nur an seiner Kindheit in Kambodscha. Das ist etwas, das mich immer wieder ratlos zurück lässt: Warum kommt der Mensch mit seinem Glück nicht klar? Nicht einmal, wenn er zuvor, das Grausamste erlebt hat, das man sich vorstellen kann. Ich verstehe es nicht und werde noch viel über dieses Thema nachdenken.

Man sieht, das Buch bringt einen zum Grübeln. Bei der Lektüre war mir teilweise übel und ich war bis ins Mark erschüttert. Aber Judith Taschler gönnt dem Leser durch ihre Zeitsprünge auch immer wieder Verschnaufpausen und baut einen Spannungsbogen auf, der einen nervös macht und eine Familiengeschichte, die einen nicht mehr los lässt.

Geht's kurz und knapp? Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Das Thema ist hart, das Buch ist unbarmherzig und ich finde (Achtung, jetzt wird's pathetisch), je mehr Menschen diese Geschichte kennen, um so besser wird die Welt.

Droemer Verlag 2019
978-3-426-28188-8


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Kommentare

  1. Die Rezession diese Buches ist so toll, dass ich mich entschlossen habe dieses zu lesen.

    Eigentlich mag ich keine grausamen oder brutale Themen in Büchern, doch durch den tollen Schreibstil von Judith Taschler war es mir möglich dieses zu lesen. Für mich machte es das Thema noch grausamer, weil ich mich noch so gut an die Fernsehberichte von damals erinnern kann. So viele grausame Bilder kamen in mir hoch, dass ich nach dem völlig überraschenden Ende des Buches noch lange über die derzeitige Situation in Kambodscha recherchierte. Leider geht es den Menschen dort auch heute noch nicht wirklich gut. Bestechung und Unterdrückung sind an der Tagesordnung. Für mich stellt sich seit diesem Buch die Frage: " Soll man in so ein Land wirklich in den Urlaub fahren"?

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